Einblicke

UNIC CityLab zu den Themen Kulturelle Vielfalt, Integration und Rassismus

Zu den großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer globalisierten Welt gehören die Fragestellungen, um gelingende Integration bei gleichzeitiger Wahrung und Förderung von kultureller Vielfalt. In diesem Kontext haben die Amnesty Hochschulgruppe Bochum, die Stadt Bochum und die UNIC CityLab Organisatoren der Ruhr-Universität Bochum in 2023 ein CityLab geplant und umgesetzt, bestehend aus:

  • einem lokalen Pop-up CityLab im Februar 2023
  • einer Lehrveranstaltung an der Ruhr-Universität im SoSe 2023
  • einem lokalen Pop-up CityLab im August 2023

Nachfolgend werden die einzelnen Events sowie ihre Ergebnisse näher vorgestellt.

1. UNIC CityLab „Integration and Cultural Diversity“

Im Februar 2023 kamen rund 40 Vertreter*innen der zwei größten Bochumer Arbeitgeberinnen, der Ruhr-Universität Bochum und der Stadt Bochum, im Bochumer Rathaus zum UNIC Pop-up CityLab zum Thema „integration and cultural diversity“ zusammen. Das Ziel der Veranstaltung war es zu ergründen, wie beide Institutionen mit dem Thema Interkulturelle Öffnung, Rassismus und Diskriminierung umgehen und wo sie die größten Herausforderungen oder auch Unzulänglichkeiten in ihren Institutionen sehen.

Im ersten Schritt wurden drei Gruppen gebildet, die zu den Themen Personal, Programm oder Publikum austauschen und konkrete Herausforderungen in den Arbeitsweisen sowie Angeboten der Institutionen herausarbeiten sollten.

  • Personal: Die Arbeitsgruppe ging Fragen rund um die Themen Diversität in Verwaltung/Organisationen nach, u.a. Fragen zur Ausschreibepraxis von Stellen, Auswahlverfahren, interkulturellen Öffnung, Umgang mit Diskriminierung und Rassismusvorwürfen.
  • Programm: Die Arbeitsgruppe befasste sich mit der Frage: Wie offen ist die Stadtverwaltung für Menschen mit unterschiedlichen Belangen? Z.B. im Bürgerbüro oder im Familienbüro. Daneben ging es um die Diversität von Studierenden & Bürger*innen; u.a. welche Studierenden kommen an die RUB? Wie sind die Zugänge für nicht-deutsche/ausländischen Studierenden? Welche Rassismuserfahrungen machen Studierende an der RUB?
  • Publikum: Die Arbeitsgruppe untersuchte die Leistungen und Angebote für Bürger*innen sowie die Angebote für Studierende und Bürger*innen anhand von Fragen z.B. zu englischsprachigen/internationalen Studiengänge oder auch zu diversitätssensiblen Lehrinhalten.

Am Ende der Diskussionsrunde sollten die Gruppen priorisieren, an welchen Herausforderungen im zweiten Teil des Events weitergearbeitet werden sollte. Auf dieser Basis wurden acht Themen identifiziert, die nachfolgend in Kleingruppen weiter konkretisiert wurden. Jede Kleingruppe war aufgefordert zur gewählten Herausforderung eine Zielvision zu entwickeln sowie erste Arbeitsschritte sowie erforderliche Ressourcen zu beschreiben, um im Ergebnis des Events erste Ideen für mögliche Lösungen und -wege zu erreichen. Nachfolgend sind die acht Problemfelder zusammengefasst:

  1. Awareness – White Privilege: Das Ziel von Institutionen muss es sein, dass deren Mitarbeitenden, die an Stellen arbeiten, an denen sie mit Kundin*innen in Kontakt kommen, ein Bewusstsein für deren Bedürfnisse entwickeln. Denn für das Thema Rassismus sensibilisierte Mitarbeitende sind machtkritischer, diskriminierungs-sensibler, inklusiver, zielgruppenorientierte sowie Privilegien bewusster als andere Mitarbeitende. Zur Vermittlung der nötigen Bedürfnisse können Räume geschaffen werden, in denen Awareness für die Belange von z.B. People of Colour erzeugt wird. Daneben sollten Allies-Netzwerke ins Leben gerufen werden, welche sich für die Belange anderer einsetzen, z.B. indem sie sich ihrer Privilegien klar werden und diese im Sinne der Inklusivität zu nutzen wissen. Die Sensibilisierung von Mitarbeitenden kann zudem mittels Awareness-Kursen gesteigert werden. Die eigenen Angebote selbst sollten hinsichtlich der Diversität der Zielgruppe auf die Anfälligkeit für Rassismus hin überprüft werden. Dies kann z.B. dadurch geschehen, dass betroffene Expert*innen aus den Feldern Kultur, Religion oder auch Migration die Angebote durchlaufen und ein Feedback zu diesen geben.
  2. Mangel an zielgruppenorientierten Angebote am Beispiel der VHS: Das Ziel der Volkshochschule Bochum ist es, nicht nur ein Lernort, sondern auch ein Ort der Begegnung für alle Bochumer*innen zu sein. Um vor allem letzteres, ein Begegnungsort für alle zu sein, bedarf es einer breiten Beteiligung der Gesamtbevölkerung am Angebot der VHS; egal ob als Lehrende*r oder als Kursteilnehmer*in. Um vor allem jene Bürger*innen zu erreichen, die bis dato das Angebot der VHS nicht in Anspruch nehmen, muss dieses bedarfsgerecht auf die verschiedenen Zielgruppen zugeschnitten, die Angebote öffentlichkeitswirksam beworben und ein Bewusstsein für die Notwendigkeit der Inanspruchnahme jener Angebote geschaffen werden. Denn eine Teilnahme an Angeboten, welche sich vorwiegend an Bürger*innen mit Migrationshintergrund richten, ermöglicht eine bessere gesellschaftliche Teilhabe jener Bevölkerungsteile am sozialen Leben in der Stadt, aber auch am Arbeitsmarkt.
  3. Sprache: Die Sprache stellt für viele Migrant*innen ein großes Problem dar, nicht nur im Alltag sondern vor allem im Umgang mit Behörden und Institutionen, denn immer noch ist Deutsch die gültige Amtssprache. Dabei präsentiert sich Deutschland als ein einwanderungsfreundliches Land, welches alle Menschen willkommen heißt. Durch die Tatsache, dass nur Deutsch als Amtssprache zulässig ist, wird die Kommunikation mit Migrant*innen deutlich erschwert und diese werden am Ausleben ihrer Potentiale gehindert. Um dem entgegenzuwirken wäre eine rechtliche Änderung weg von Deutsch als einziger Amtssprache notwendig. Zudem könnte die Behördensprache vereinfacht oder auch die Nutzung von technischen Lösungen zur Unterstützung der Kommunikation, z.B. mittels Übersetzungsprogrammen, möglich gemacht werden. Auch die Zugänglichkeit von Informationen auf Homepages sollte an die multikulturelle Klientel angepasst und die Informationen in verschiedenen Sprachen parat gestellt werden. Mitarbeitenden könnten Sprachlernangebote angeboten werden. Ziel aller Angebote muss es sein, dass alle Bürger*innen ihre Angelegenheiten selbst regeln können.
  4. Zugang – Einstellung Verwaltung: Öffentliche Verwaltungen spiegeln i.d.R. immer noch nicht die Diversität der Gesellschaft wider; vor allem je höher man in der Hierarchie schaut, desto weniger divers setzt sich die Belegschaft zusammen. Dabei sollte es das Ziel der Verwaltung sein, ein Abbild der Gesellschaft darzustellen, da nur so die Belange aller Bürger*innen repräsentiert werden können. Das Vorhandensein eines Bewusstseins für die Diversität der Bevölkerung und der damit verbundenen Diskriminierungserfahrungen der Bürger*innen ist ein erster Ansatz, in die richtige Richtung. Ziel muss es aber bleiben, dass die Bürger*innen sich von der Verwaltung repräsentiert und von dieser willkommen geheißen werden. Um dies zu erreichen, sind mehrsprachige und interkulturell geschulte Mitarbeitende notwendig. Dies kann z.B. mittels interkultureller Trainings oder auch Sprachkursen erreicht werden. Zudem könnte eine Diversitätsquote eingeführt, anonymisierte Bewerbungsverfahren durchgeführt sowie das eigentliche Bewerbungsverfahren dahingehend angepasst werden, dass ein stärkerer Fokus auf Lebenserfahrung und Persönlichkeit und weniger auf die Herkunft gelegt wird.
  5. Inhalte – international, kultursensibel, divers: Schüler*innen, Studierenden oder auch Teilnehmende an Weiterbildungsangeboten, z.B. jene der Volkshochschule, melden in Evaluationen regelmäßig zurück, dass ihnen kultursensible Inhalte in z.B. Lehrveranstaltungen fehlen, welche über die Lehre hinaus im Alltag oder auch im Beruf aufgegriffen werden können. Auch wenn Lehrende sowie die Studierenden bzw. die Kursteilnehmenden für die Wichtigkeit einer toleranten und offenen Gesellschaft sensibilisiert sind, werden immer noch nicht genügend Kurse, die sich mit dem Thema Diversität auseinandersetzen, standardmäßig und verpflichtend in die Curricula aufgenommen. Dabei gäbe es an der Ruhr-Universität z.B. mit dem Think Tank Diversität, mit den verschiedenen Hochschulgruppen, wie der Amnesty Gruppe, mit RUB bekennt Farbe oder auch mit dem neugeschaffenen Prorektorat für Diversität, Inklusion und Talententwicklung genügend Expertise, um die Lehrveranstaltungen adäquat inhaltlich auszugestalten und umzusetzen.
  6. Unterrepräsentation nicht-weißer Menschen als Mitarbeiter*innen in den Institutionen: Immer noch spiegelt die Zusammensetzung der Mitarbeitendenschaft in öffentlichen Institutionen nicht die Diversität der Gesellschaft wider. Es bedarf deutlicherer Anstrengungen, um nicht-weiße Menschen für eine Tätigkeit in der Verwaltung zu gewinnen, u.a. mit dem Ziel, dass das Publikum sich mit den Mitarbeitenden identifizieren kann und sich von diesen abgeholt fühlt. Denn nur eine diverse Mitarbeitendenschaft kennt die Bedürfnisse einer diversen Bevölkerung, kann sich an diese anpassen und teilt dieselben Erfahrungen. Um dies zu erreichen, könnte eine Evaluation der Zielgruppen vorgenommen werden, um auf diesen Erkenntnissen aufbauend, die Mitarbeitenden zusammen zu stellen. Zudem könnten spezielle Förderprogramme ins Leben gerufen werden, um mögliche Mitarbeitende zu werben und schon frühzeitig ungleiche Startbedingungen ausgleichen zu können.
  7. Inhalte – fremdsprachlich: Um die Inklusivität und Attraktivität von Lehr- und Fortbildungsangeboten zu steigern, müsste der Anteil von fremdsprachlichen Angeboten erhöht werden. Denn auf Grund von fehlenden Deutschkenntnissen bei Migrant*innen haben diese nicht die gleichen Chancen auf Bildung, wie Deutschmuttersprachler*innen. Fremdsprachliche Angebote haben zur Folge, dass jede*r die Möglichkeit hat, die gleichen Veranstaltungen zu besuchen und so alle in den Genuss kommen können, die gleiche Qualifikation zu erwerben. Um das entsprechende Angebot zu schaffen, könnten entweder muttersprachliche Lehrende engagiert, die eigenen Lehrenden weiterqualifiziert oder auch ein Buddy-Tandem Programm ins Leben gerufen werden.
  8. Arbeitsklima: Ein gutes Arbeitsklima kann zum Erfolg eines Unternehmens, aber auch einer Organisation beitragen. Aspekte, die zur Steigerung des Arbeitsklimas beitragen sind z.B. gleiche Aufstiegschancen unabhängig von Herkunft und Religion, ein bewusster Umgang mit dem Thema Rassismus sowie die Erkenntnisse, dass Diversität eine Bereicherung für die Organisation darstellt. Notwendig dafür sind mehr Angestellte mit Migrationshintergrund, die Sensibilisierung von Mitarbeitenden für das Thema, safe spaces sowie Antidiskriminierungsrichtlinien. Eine entscheidende Rolle kommt den Führungskräften zu. Diese definieren Erfolgsfaktoren, führen notwendige Veränderungen in der Organisation herbei und setzen diese in ihren Abteilungen/Bereichen um.

Lehrveranstaltung „Rassismus und Rassismuskritik in postindustriellen europäischen Städten – ein Lehrforschungsprojekt“

Im Sommersemester 2023 hatten Studierenden die Möglichkeit, sich in der Lehrveranstaltung „Rassismus und Rassismuskritik in postindustriellen europäischen Städten – ein Lehrforschungsprojekt“ von Daniel Schumann mit den Themen struktureller Rassismus und Praktiken der Rassismuskritik und des Rassismusabbaus in postindustriellen europäischen Städten auseinanderzusetzen.

In einer ersten Phase setzten sich die Studierenden mit theoretischen Ansätzen zu strukturellem Rassismus und Rassismuskritik auseinander und nutzten diese Ansätze, um Erscheinungsformen von Rassismus im institutionellen Kontext von Kommunen und Universitäten zu analysieren.

In einer zweiten Phase wurden Prinzipien der partizipativen Forschung diskutiert und ein gemeinsames Forschungsdesign entwickelt. Die Seminarteilnehmer führten qualitative Interviews mit Expert*innen aus postindustriellen Städten des UNIC-Netzwerks (sowohl aus der Wissenschaft als auch aus der Zivilgesellschaft) durch und werteten diese aus. Während des gesamten Seminars arbeiteten die Studierenden eng mit Akteur*innen aus der Stadt und der Universität zusammen.

Die Ergebnisse der Lehrveranstaltung präsentierten die Studierenden im Rahmen des zweiten UNIC CityLabs.

© RUB, Marquard

2. UNIC CityLab „Diversität und Rassismus“

Das zweite UNIC Pop-up CityLab fand am 10. August in der Rotunde in Bochum zum Thema „Diversität und Rassismus“ statt. Eingeladen waren neben den Teilnehmenden des ersten UNIC CityLabs auch weitere Vertreter*innen aus Wissenschaft, Stadt und Stadtgesellschaft. Insgesamt nahmen 107 Personen an dieser Veranstaltung teil. Ziel dieses UNIC CityLabs war es, auf Grundlage der in dem ersten UNIC CityLabs gefundenen Problem- und Fragestellungen, den Teilnehmenden konkrete Handlungsempfehlungen mitzugeben, um Rassismus in Institutionen zu bekämpfen bzw. der Möglichkeit des Auftretens von Rassismus etwas entgegenzusetzen. Nach Grußworten von Prof.in Dr. Isolde Karle, Prorektorin Ruhr-Universität Bochum für Diversität, Inklusion und Talententwicklung und von Dietmar Dieckmann, Dezernent für Bildung, Integration, Kultur und Sport der Stadt Bochum fand eine Podiumsdiskussion unter Leitung von Dr.in Asmaa El Idrissi von der SWANS Initiative statt. An dieser nahmen Prof. Dr. Karim Fereidooni, Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Sozialwissenschaft; Norbert Koop, Leiter Musikschule Bochum; Helene Goltz, E.ON Deutschland, Personalentwicklerin & Diversity-Expertin sowie Ikram Errahmouni-Rimi, Juristin und Expertin für diskriminierungssensible Organisationskultur sowie für Antidiskriminierung und Rassismus in Gesellschaft und Polizei teil.

So wurde diskutiert, wie effektive Maßnahmen gegen Rassismus bei der Polizei, im Bildungssystem und in der Wirtschaft aussehen könnten. In der Regel gibt es nicht die eine effektivste Maßnahme zur Bekämpfung von Rassismus, sondern es benötigt viele kontextspezifische Maßnahmen. Besonders wichtig ist jedoch, Möglichkeitsräume zu schaffen, und eine Institutionsleitung zu haben, welche sensibel für Ungleichheitsstrukturen und offen für neue Vorschläge ist. Denn nur wenn Institutionen ihre Strukturen ändern und Barrieren abbauen, können Institutionen im nächsten Schritt ihre Mitarbeitenden qualifizieren und für das Thema Rassismus sensibilisieren.

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion präsentierten die Studierenden ihre Ergebnisse aus der Lehrveranstaltung „Rassismus und Rassismuskritik in post-industriellen Städten. Ein Lehrforschungsprojekt“ in Form eines Videos. Das Video beleuchtet verschiedene Aspekte und bewährte Praktiken der inklusiven und antirassistischen Erwachsenenbildung, basierend auf Interviews mit Expert*innen aus Bochum und Cork.

Nachfolgend konnten die Teilnehmenden zwischen drei Werkstattangeboten wählen, um eine im ersten UNIC CityLab identifizierten Problemstellungen tiefergehend mit dem Moderator*innen und anderen Teilnehmenden zu diskutieren:

  1. „Wer hat die Macht? (Weiße) Privilegien sichtbar machen“ moderiert durch:
  2. Inga Sponheuer, Beauftragte für Diversity Management aus dem 360° Programm der Musikschule Bochum
  3. Nathalie Eleyth, Evangelisch Theologische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum

Zum Bewusstwerden weißer Privilegien haben die Teilnehmenden zunächst über Statements von Peggy McIntosh‘s „Unpacking the Invisible Knapsack” („Den unsichtbaren Rucksack auspacken“) diskutiert. Auf Grundlage dieser Diskussion wurden dann individuell Ideen gesammelt, welche Veränderungen sich die Teilnehmenden an ihren Institutionen vorstellen könnten und diese im Anschluss geclustert. Hierbei ging es um Fragen, wie die Sichtbarkeit von BIPoC erhöht, BIPOC gezielt gefördert (finanziell und ideell) und Strukturen umgewandelt bzw. rassistische Strukturen abgebaut werden könnten.

  • „Empowerment und Safer Spaces für Menschen mit Rassismuserfahrung“ moderiert durch:
  • Hanan Schatz aus der Stabsstelle Integration Stadt Bochum
  • BIPoC denken, einem studentischen Netzwerk der Ruhr-Universität Bochum.

In dem Workshop gingen die Teilnehmenden der Frage nach, was können Institutionen tun, um die Gründung und Etablierung von safer space für BiPoC zu unterstützen und haben für alle Interessierten konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet.

Zur Gründung eines Netzwerkes / safer space ist initial eine Bestandsanalyse in der Institutionen durchzuführen, um zu erfahren, wer sich bereits mit dem Thema Diversität beschäftigt, ob es Ansprechpersonen für BiPoC gibt bzw. bestehende/ehemalige safer spaces/Netzwerke für andere Diversitätsdimensionen, die ihre Erfahrungen teilen könnten? Anschließend sind konkrete Ziele und Zielgruppen zu definieren, sowie Maßnahmen zur Erreichung der Ziele und mögliche Herausforderungen zu erarbeiten. Hierzu ist es hilfreich sich mit internen sowie externen Netzwerken / safer spaces unterschiedlicher Diversitätsdimensionen inklusive BiPoC auszutauschen, um geeignete Maßnahmen zu identifizieren, ebenso wie weiteren Unterstützer*innen und der Personalverwaltung.

Zur Etablierung des Netzwerkes ist ein Kernteam, dass die Verantwortung und Organisation der Netzwerkarbeit übernimmt ebenso wie eine gute Öffentlichkeitsarbeit unerlässlich. Die eigentliche Netzwerkarbeit orientiert ist an den o.g. Zielen der Institution. Ist die Einrichtung eines safer space das Ziel werden Empowerment-Workshops für die Teilnehmenden empfohlen. Steht ein Kulturwandel in der eigenen Institution im Fokus ergeben sich weitere Handlungsoptionen: Gespräche mit der Führungsebene zu Themen, die für BiPoC wichtig sind (Personalabteilung, Dezernenten); Gespräche mit der Personalvertretung zur Förderung von Diversität; Zusammenarbeit mit Fachbereichen, die sich mit Strukturveränderungen und Wandel beschäftigen (Strategiemanagement); Struktureller Diskriminierung entgegenwirken: Erarbeitung eines diversitätssensiblen Bewerbungs- und Auswahlverfahrens, Prüfung von Diskriminierung bei der Chancengleichheit von Aufstiegsoptionen, Sichtbarmachung der mangelnden Repräsentanz von BIPoC; nach Absprache ist auch zu überlegen, ob externe Pressearbeit gewünscht ist.

  • „Antidiskriminierungspolitik in Institutionen – Richtlinien, Beratung und mehr“ moderiert durch:
  • Dr. David Berchem, Meldestelle für Diskriminierung im Fußball in NRW
  • Michalina Trompeta, der Antidiskiminierungsbeauftragte der Ruhr-Universität Bochum

Wichtig für Institutionen, die eine Antidiskriminierungspolitik etablieren wollen, ist es, mehrere Bausteine der Antidiskriminierungsarbeit parallel zu etablieren. Zuerst müssen Diskriminierungsrisiken in der Institution identifiziert werden z.B. durch Umfragen oder auch Status Quo Analysen. Auf den Erkenntnissen aufbauend, könnten für die Institution Richtlinien oder ein Code of Conduct zur Bekämpfung von Diskriminierung erarbeitet und verabschiedet werden. Gleichermaßen sollten parallel Ansprechpersonen und niedrigschwellige Beratungs- und Beschwerdestellen aufgebaut  und in der Institution bekannt gemacht werden. Kontinuierlich von den Beratungs- und Beschwerdestelle ist in den zentralen Kommunikationskanälen der Institution ist dann wichtig, so dass das Vorhandensein dieser Stellen nicht in Vergessenheit gerät. Unterstützt werden sollte dies durch die Institutionsleitung, indem Fortbildungen zur Prävention sowie Unterstützung bei Empowerment und Vernetzung angeboten werden.

Außerdem benötigt es eine passgenaue Ansprache jener Personen, die von Diskriminierung betroffen sein könnten, indem diese über die neu etablierten Strukturen informiert werden. Für jene Personen, die meinen, dass das Thema Rassismus sie nicht betrifft, werden sachliche Argumente benötigt, um diesen zu erläutern, wieso das Thema Rassismus auch für sie relevant ist.

© RUB, Marquard

UNIC Seminar: Mental health of students during the Covid-19 pandemic

On 9th of December students, scholars and staff members came together to learn and discuss how the pandemic has affected the mental health situation of students at different UNIC universities. The seminar was moderated and facilitated by Kathrin Schopf and Silvia Schneider, Department of Clinical Psychology and Psychotherapy, Ruhr University Bochum.

In the first part of the seminar, researchers from four UNIC universities presented their current research results, all related with mental health situations of young adults. Even if many aspects in their works; mainly from the fields of Psychology and Social Work; were similar, each of them offered a different perspective on the topic, contributing to an overall picture of the situation of students in the pandemic. Besides their research insights, all inputs included practical recommendations how to improve students’ mental health on an individual and collective way.    

Linda Rajhvajn Bulat, University of Zagreb, showed that the biggest stressors for students during the pandemic have not been their own health worries but missed opportunities and social isolation. She strongly pled for more psychological support at universities and for more awareness in the faculties and by teachers for students’ mental health needs.    

Estíbaliz Royuela Colomer, University of Deusto, highlighted the meaning of mindfulness for the mental health in the crisis and the danger of “auto-pilot”, which easily leads us to forget the potential of inner mental resources in difficult situations. Her interviews in schools clearly showed that positive emotion regulation strategies can make a huge different for life-quality of young people.         

Ekin Çakır, Koc University, reported from the situation of students in Istanbul and confirmed the observation that future-related worries are often the main stressor of young people. This can be also related to economical worries as many students have lost their jobs during the crisis. Additionally, the collective character of the crisis might worsen the individual situation. Then when everybody is stressed, our personal resources to support each other might be more limited than in normal times.

Julia Brailovskaia, Ruhr University Bochum, focused on the role of social media for mental health issues in the crisis. Digital studying and working together with increased use of social media during the free time has become the new reality during the pandemic. This development has remarkable negative consequences on mental health of students. But as a moment of hope, her research results also showed that small changes in time-use and self-regulation are powerful methods to change the situation for better.      

The second part of the seminar was dedicated to students’ perspectives. A mentimeter questionary collected and summarized opinions and experiences of attended students from the audience.   

Patricija Biškup and Dario Topić, University of Zagreb, Ivan San Atilano Campillo and Laura Gómez González, University of Deusto and Yazgi Yilmaz, Ruhr University Bochum, all students at UNIC universities, presented some main problems as well as solutions from their point of view. They felt that students and young people generally were not heard equally to other groups in the society, which gave them the feeling that their worries – including the ones related to mental health – were not taken seriously. But also some positive sides of the pandemic – more time for the family and studying – were mentioned. The “Sense of Belonging” was identified as a very important source of good mental health. Even in an unclear situation of changing presence and online phases, it is important that universities continue to build spaces and ways to support this sense of belonging under changing conditions.

Find attached the presentations of the researchers as well as th results of the Mentimeter survey

UNIC Pop-up CityLab „Gutes Altern und die Bedeutung der Erinnerung“

Einleitend wird das Projekt UNIC vorgestellt und die Veranstaltung thematisch eingegrenzt. Die Projektpartner*innen des UNIC Verbundes eint, dass es sich bei ihnen um ehemalige Industrieregionen handelt. Dies trifft auch auf das Ruhr-Gebiet zu, welches zwar nach wie vor eine Industrieregion ist, die sich jedoch seit 60 Jahren im Wandel zu postindustriellen Strukturen hin befindet. In diesem Zusammenhang soll sich die Veranstaltung mit der Frage beschäftigen: Was heißt es „gut“ zu altern? Welche Bedingungen müssen hierfür erfüllt sein? Wie stellen sich Ältere „gutes Altern“ selbst vor? Welche Strukturen müssen dafür vorhanden sein? Die Pop-up CityLabs sollen dazu dienen, erste Erkundungen dazu einzuholen, welche Bedingungen und Wünsche in den Städten vorliegen. Das Pop-up CityLab reiht sich damit in eine Reihe von vier weiteren Veranstaltungen zu diesem Themenkomplex ein. Dabei steht stets das Ziel des Projektes im Fokus – nämlich gemeinsam an den Herausforderungen des „guten Alterns“ arbeiten, relevante Akteur*innen auch international und überregional miteinander zu vernetzen und dabei verschiedene Sichtweisen kennenzulernen.

Themenblock: Vorstellung des Guten Lebens und Erinnerung

Der erste Beitrag von Janina Kandt vom Sozialamt der Stadt Bochum nähert sich der Thematik aus der städtischen Perspektive und stellt die Frage in den Raum, inwiefern ältere Menschen ihre Vorstellungen des „guten Lebens“ einbringen können und welche Rolle Erinnerungen dabei spielen. Erinnerungen spiegeln sich im individuellen Umfeld eines Menschen wider, wie zum Beispiel in seiner*ihrer Wohnung oder auch in seinem*ihrem Quartier. Ein Umzug ins Pflegeheim ist daher ein großer Einschnitt, der einen Teil der Identität und einen Teil des Selbstbewusstseins nehmen kann. Das Ziel der Stadt muss es daher sein, das Altern in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Seniorenbüros fungieren dabei häufig als Schnittstelle zwischen der Stadt und den Menschen. Es müssen darüber hinaus jedoch noch viele andere Akteur*innen mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen miteinbezogen werden, wie beispielsweise die Nachbarschaftshilfen oder die Alzheimergesellschaft. Die Stadt muss darüber hinaus für die nötige Infrastruktur mit lebensnotwendigen Geschäften, Apotheken vor Ort und niederschwelligen Angeboten sorgen. Hier wird aktuell bereits einiges geleistet. Diese Themen müssen jedoch immer mitgedacht werden.

In ihrem Impulsvortrag berichtet Friederike Müller vom IFAK e.V. Verein für Multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe-Migrationsarbeit über Biographiearbeit als Methode zur Bedarfsentwicklung. Biographiearbeit wird genutzt, um über Alterserfahrungen, Familie, Wünsche und Träume zu berichten. So lassen sich zwischen Menschen unterschiedlicher Generationen Gemeinsamkeiten finden. Gleichzeitig lässt sich darüber auch erkennen, wie vielfältig insbesondere auch ältere Menschen sind. Es ist wichtig, diese Vielfalt auch in den Angeboten für Ältere abzubilden. Dabei braucht es Sensibilität für unterschiedliche Lebensweisen und kulturelle Hintergründe. Dies gilt insbesondere für die Zielgruppe der Migrant*innen, die häufig von einem engen familiären Miteinander geprägt ist und umso stärker intergenerationale Ansätze schätzen. Werden alte Menschen in den schulischen Unterricht eingebunden, können sie als Ressource dienen und als Zeitzeugen beispielsweise über die eigene Migrationsgeschichte berichten. Dabei muss es den Raum geben, die Betroffenen in alle Schritte einzubeziehen.

Andreas Schindler von der Landesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros NRW widmet sich in seinem Beitrag der Frage, inwiefern Identität und ehrenamtliches Engagement zusammenhängen. Ehrenamt wird insgesamt zunächst als etwas Positives gewertet, das Struktur und Zufriedenheit geben und auch ein etwaiges „Sinnvakuum“ füllen kann. In seiner Arbeit beobachtet der Gerontologe jedoch drei unterschiedliche Typen von Senioren in diesem Zusammenhang: 1. Leute, die schlicht nicht bereit sind, ein Ehrenamt zu übernehmen, 2. Leute, die ihre Fähigkeiten, die sie über den Lebensverlauf erworben haben, weiter ausüben wollen und 3. Leute, die sich zwar engagieren wollen, aber einen vollständigen Bruch zu ihrer bisherigen Tätigkeit herbeiführen wollen. Freiwillige Arbeit ist dabei manchmal Teil einer biografischen Kontinuität und in anderen Fällen der Versuch einer neuen Identitätskonstruktion. Es gibt daher nicht den einen Typen des alten Menschen, sodass es nicht funktionieren kann, nur auf eine einzelne Akquise Strategie zu setzen. Die unterschiedlichen Biografien und Deutungsmuster müssen auch bei der Angebotskonzeption einfließen.

Es folgt eine lebhafte Diskussion unter der Leitung von Stefan Berger, in der insbesondere die sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen älterer Menschen im Ruhrgebiet thematisiert werden. Erinnerungen, so die Teilnehmer*innen, können sowohl eine Ressource für das „gute Leben“ sein, aber gleichermaßen auch daran erinnern, dass ihnen das Leben einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Altersarmut ist ein wichtiger Rahmen, der für viele Menschen eine Rolle spielt – insbesondere im Ruhrgebiet. Fragen zum ehrenamtlichen Engagement müssen daher immer in den Diskurs zur sozialen Sicherung eingebettet werden.

Themenblock: Gutes Altern und Diversität der Lebensentwürfe

In dem sich anschließenden Themenblock geht es um die Teilhabemöglichkeiten bestimmter Zielgruppen. In seinem Impulsvortrag stellt Eike Ricker von der Rosa Strippe e.V. die geschichtlichen Hintergründe der heutigen LGBTQ* Senioren vor. LGBTQ* Menschen, die heute alt sind, haben eine Vielzahl von Ungerechtigkeiten und Schicksalsschlägen erlebt. Ein besonders prägender Meilenstein ist der Paragraf §175 des deutschen Strafgesetzbuches, der sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts von 1872 bis 1994 unter Strafe stellte. Die ursprüngliche Variante des Paragrafen aus der Weimarer Republik wurde unter den Nationalsozialisten verschärft und in dieser Form in die Gesetzgebung des Nachkriegsdeutschlands übernommen. Viele homosexuelle Männer, die von den Verurteilungen und der gesellschaftlichen Ächtung dieser Zeit betroffen waren, haben die Aufhebung der Urteile und die Entschädigungen durch die Bundesregierung 2017 nicht mehr erlebt. Ebenfalls sehr prägend für diese Generation ist die AIDS-Krise der 1980er und -90er Jahre, die starke Einschnitte in den sozialen Netzwerken der LGBTQ* zurückgelassen hat. Heute können LGBTQ* zwar von den durch sie erkämpften gesellschaftlichen Fortschritten profitieren („Ehe für Alle“, Zwangssterilisation von Transmenschen nicht mehr zulässig), ihre Biografien sind jedoch oft geprägt von Scheinexistenzen, Opfererfahrungen und belasteten interpersonalen Beziehungen. Safe Spaces dürfen daher gerade für ältere LGBTQ* nicht unterschätzt werden – auch oder gerade in der Pflege. Altentreffpunkte und Pflegeheime brauchen daher kultursensible Pflegeweiterbildungen, Zertifizierungen und eine sensible Ansprache.

Dr. Katrin Bente Karl von der Ruhr-Universität Bochum adressiert in ihrem Vortrag die sprachliche Teilhabe im Alter vor dem Hintergrund von Migration und Mehrsprachigkeit. Dabei widmet sie sich der Frage wie gut mehrsprachige Menschen an unserem (einsprachigen) Land teilhaben können. Studien belegen, dass Mehrsprachigkeit im Alter kognitiv länger fit halten kann. Mehrsprachige Menschen sind jedoch keine homogene Gruppe. Angebote für Menschen im Alter müssen aber dennoch bemüht sein, es den Menschen zu ermöglichen, sie solange es geht an ihrem mehrsprachigen, mehrkulturellen Leben teilhaben zu lassen. Es braucht daher eine Strategie zur Entwicklung von Programmen, die bewusst beide Sprachen und Kulturen der Menschen berücksichtigen oder auch solche, durch die Menschen an eine neue Sprache herangeführt werden. Sprache beziehungsweise Mehrsprachigkeit kann dann als Ressource genutzt werden – und nicht nur für alte Menschen, sondern für die ganze Gesellschaft.

Dr. Katrin Bente Karl moderiert die sich anschließende Diskussion, in der es vor allem um die praktische Umsetzung derartiger Angebote geht. Seniorenbüros versuchen es, Angebote für mehrsprachige Menschen zu machen, aber das Erreichen dieser Menschen ist sehr schwierig. Die Teilnehmer*innen diskutieren wie die tatsächlichen Bedarfe dieser Personen ermitteln werden können. Wichtig sei es, den Blick nicht nur auf Moscheengemeinden zu richten, sondern auch Menschen nicht zu vergessen, die sich nicht über Gruppen definieren. Wichtig ist das jeweilige Quartier. Hier muss geschaut werden, welche Strukturen und Netzwerke bereits vorhanden sind und wie diese für die eigene Arbeit genutzt werden können. Um als Sozialarbeiter*in Menschen entgegentreten zu können, deren Sprache man selbst nicht spricht, werden verschiedene Pilotprojekte vorgestellt, in denen sogenannte „Gesundheitspaten“ ausgebildet werden, um zu bestimmten Themen zu informieren oder einzuladen. Hier ist es besonders wichtig, Projekte nachhaltig zu verstetigen.

Themenblock: Postindustrielle Gesellschaft und Technologie

Der Impulsvortrag von Christiane Schütter vom Generationennetz Gelsenkirchen berichtet von ihren Erfahrungen als Technikbotschafterin in der Covid19-Krise. Im Rahmen ihrer Tätigkeit bietet sie zusammen mit einer ZWAR-Seniorengruppe („Zwischen Alter und Ruhestand“) Schulungen zu Office-Anwendungen, zu E-Mails und zu Smartphones an, um älteren Menschen den Einstieg in die Digitalisierung zu erleichtern. Dabei gibt es auch Bemühungen Personen zu erreichen, die sich aus finanziellen Gründen keine eigenen Smartphones leisten können. Üblicherweise finden diese Weiterbildung in Gruppen vor Ort statt, wodurch die Techniktreffs gleichzeitig auch Orte des sozialen Austausches und des Miteinanders sind. Durch den Ausbruch der Covid19-Krise war dies nicht mehr möglich, weshalb der Austausch zum Teil über Videotelefonie (Zoom, Jitsi) weitergeführt wurde. Für demenziell Erkrankte gab es in diesem Zusammenhang ein besonderes Projekt. Monika Sommer-Kensche berichtet von einem Projekt, in dem demenziell Erkrankte im Beisein ihrer Angehörigen oder Betreuer über ein speziell für sie konfiguriertes Tablet unterhalten werden können. Es gibt die Möglichkeit darüber Spiele zu spielen, Musik zu hören oder Videos zu schauen, um so die kognitive Fitness und die Erinnerung zu fördern.

In seinem Beitrag setzt sich Prof. Dr. Sebastian Merkel von der Ruhr-Universität Bochum mit der Frage auseinander, inwiefern Alter und Technik überhaupt zusammenpassen. Nicht nur in der Gesellschaft allgemein, sondern auch in der Technikentwicklung gibt es zahlreiche Vorurteile gegenüber Älteren, die vermeintlich nicht mit modernen Technologien umgehen (lernen) können. Diese negativen Altersbilder fließen auch in die technischen Artefakte und Projekte mit ein, was nicht zuletzt begünstigt, dass sich Technologien für ältere Menschen noch nicht in dem erwarteten Ausmaß im Markt etablieren konnten. Die Forschungsbemühungen zielen zudem eher auf technisch gestützte Lösungen zur Abmilderung der Auswirkungen des demografischen Wandels ab. In der Technikentwicklung stehen die Bedarfe und Wünsche der älteren Menschen selten im Fokus. Dabei hat die Technikaffinität nicht unbedingt etwas mit dem Alter zu tun, sondern vielmehr mit der Sozialisation eines Menschen, die direkten Einfluss auf die spätere Technikkontrollüberzeugung nimmt. Frühere erfolgreiche Erfahrungen mit mechanischer Technik können einerseits auf die Digitalisierung vorbereiten. Vereinzelt führt eine starke „Anpacker- oder Tüftler-Identität“ aber möglicherweise auch zu Überforderung in Bezug auf digitale Entwicklungen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Alter als erklärende Variable in der Digitalisierung überschätzt wird und als ein Teilaspekt eines größeren Gesamtkontextes verstanden werden muss.

In der abschließenden Diskussion unter der Moderation von Prof. Dr. Sebastian Merkel werden diese Fragen vertieft. Die Teilnehmer berichten, dass ältere Menschen oft sehr interessiert an Digitalisierung sind, es jedoch an entsprechenden Formaten mit einem auf sie zugeschnittenen Zugang fehlt. Es braucht jedoch altersgerechte Formate und nicht „Altenformate“. Das chronologische Alter ist nicht der entscheidende Faktor, um sich für Technik zu interessieren. Insbesondere für ältere Migrant*innen ist Technik der Schlüssel, um eine Verbindung in das Heimatland herzustellen oder aufrechtzuerhalten. Neben sozialem Austausch sind es zudem oft Sicherheitsaspekte, die zu einer Auseinandersetzung mit Technik im Alter führen. Soziale Milieus, das Geschlecht und weitere Faktoren müssen bei Fragen der Digitalisierung berücksichtigt werden.

In seinen abschließenden Worten betont Prof. Dr. Stefan Berger die Wichtigkeit des wechselseitigen Transfers zwischen Wissenschaft und Praxis. Das UNIC-Netzwerk ist in diesem Zusammenhang eine gute Möglichkeit diesen voranzutreiben. Wichtig für die Vertiefung dieser Arbeit ist die Lehre an den Universitäten – gegebenenfalls auch interdisziplinär und fakultätsübergreifend. Prof. Dr. Berger macht auf eine Lehrveranstaltung innerhalb des UNIC-Verbundes aufmerksam, eine Summer School, bei der gute Ideen und Best Practice Ansätze aus anderen Regionen zwischen den Partner*innen transportiert werden sollen. Hier soll unter anderem erarbeitet werden, welche Faktoren für die eigenen Regionen spezifisch sind, da dies am besten im Vergleich mit anderen Regionen funktioniert. Janina Kandt spricht sich in ihren Handlungsempfehlungen ebenfalls für weitsichtige Planungsstrategien aus. Es gilt nicht nur lokal zu schauen, sondern auch bundesweit, überregional, auf europäischer oder internationaler Ebene: was lässt sich hier adaptieren für unseren regionalen Kontext? Auch muss immer in die Quartiere geschaut werden, um zu überprüfen, welche Bedarfe bei den unterschiedlichen Akteur*innen ganz konkret vorliegen. Das Ziel sollte es sein, weite Teile der Bevölkerung füreinander zu sensibilisieren und diese Themen auch zum Beispiel auf die Lehrpläne der Schulen zu setzen. Um negative Altersbilder abzubauen, bietet es sich an, Schnittmengen zwischen älteren Menschen und Kindern zu nutzen und generationenübergreifende Projekte zu schaffen, die Lebensfreude wecken. Nicht zuletzt muss auch die Altersarmut abgebaut werden, was insbesondere langfristig nur durch Bildung zu erreichen ist.

Das UNIC-Netzwerk bleibt weiter in Kontakt und erarbeitet gemeinsam im weiteren Verlauf Leitfragen, die es zu lösen gilt. Es sollen darüber hinaus neue Initiativen angestoßen werden und das Netzwerk weiter fortgesetzt werden.

UNIC Pop-up CityLab „(Mehr) Bildungsgerechtigkeit gestalten!“

Die UNIC CityLabs sind am 18.05. erfolgreich mit dem Pop-up CityLab zum Thema Bildungsgerechtigkeit in Bochum gestartet. Rund 100 Teilnehmende, darunter zentrale Bochumer Akteur*innen, Wissenschaftler*innen, Bürger*innen, Student*innen und die Stadtverwaltung nutzten die Gelegenheit, um sich zum Thema Bildungsgerechtigkeit untereinander zu vernetzen und ihre Erfahrungen und (Er-)Kenntnissen auszutauschen.

Die Impulsrunde am Anfang war sehr vielseitig. Während Helle Timmermann, Leiterin der VHS, für den Bereich der außerschulischen Bildung äußerte, dass es selbstverständlich keine Bildungsgerechtigkeit in Bochum gebe (warum sollte es auch anders sein als in anderen Städten), war sie doch auch sehr positiv gestimmt, dass das Haus des Wissens einen großen Beitrag dazu leisten könne, für mehr Bildungsgerechtigkeit im Bereich des lebenslangen Lernens zu sorgen. Steffen Bundrück, Vertreter des Landeselternrats der Integrierten Schulen, definierte die Begriffe Bildung und Gerechtigkeit und betonte die Bedeutung der Herkunftsfamilie für die Bildungserfolge sowie die Notwendigkeit, Familien zu unterstützen, um für mehr Bildungsgerechtigkeit zu sorgen. Oliver Döhrmann, Geschäftsführer von RuhrFutur, warf einige Schlaglichter auf Ergebnisse aus dem Bildungsbericht Ruhr 2020: So wurde bei Schuleingangsuntersuchungen festgestellt, dass ein Drittel der Kinder einen erhöhten Sprachförderbedarf aufweisen, etwa 20% haben Probleme bei den mathematischen Vorläuferfähigkeiten. Insgesamt seien etwa ein Drittel der Schulen mit besonderen Herausforderungen belastet (in Westfalen insgesamt nur 10%). Und: Es gibt immer noch den niedrigsten Anteil an Hochschulabsolvent*innen in der Region im Vergleich zu Land und Bund. Er warnte sehr engagiert vor den Bildungsfolgen durch Corona – Lösungen zu finden, um die Bildungslücken zu schließen, sei alternativlos! Prorektorin Cornelia Freitag verwies darauf, dass es der RUB im Vergleich zu anderen Hochschulen vergleichsweise gut gelinge, Kinder aus Nicht-Akademiker-Familien zum Erfolg zu führen. Als sehr positiv sehe sie in Bochum, dass es ein Bewusstsein bei den Verantwortlichen gebe, dass Bildungserfolge von der sozialen Herkunft abhängen. Die Studierende Yazgi Yilmaz warb sehr engagiert dafür, Kinder aus Nicht-Akademiker-Familien bereits in der Schule zu stärken. Sie selber hätte den Schritt an die Universität ohne die Talentscouts wohl nicht gewagt und engagiert sich jetzt selbst.

Anschließend wurde in Kleingruppen diskutiert.

In der AG Frühkindliche Bildung verwies Prof. Birgit Leyendecker auf die ökonomische Rendite früher Förderung. Aus eigenen Studien wisse sie, dass gerade in den Kitas eine gute Sprachförderung, ein positives emotionales Klima, sowie ein früher Eintritt in Kita/Tagespflege, insgesamt also eine „gute Betreuung“, wesentlich sei, um benachteiligte Kinder zu fördern. Dabei gelte es, v.a. dort zu fördern, wo es besonders nötig sei („Ungleiches ungleich behandeln“). Problematisch sei hingegen, dass es zunehmend Kinder gibt, die ohne Kita-Erfahrung in die Schule kommen, diese kommen häufig aus geflüchteten Familien oder aus Osteuropa. Herr Klingenberg, Leiter des Jugendamts der Stadt Bochum, verwies ebenfalls darauf, dass die frühe Förderung die für die Gesellschaft beste und kostengünstigste Lösung sei, um Kinder Bildungserfolge zu verschaffen. Er stellte dar, dass sich die Zahl der Plätze in der U3-Betreuung zwischen 2005 und 2021 fast versiebenfacht habe. Inzwischen bekommen 44% der Kinder unter drei Jahren einen Platz; Ziel sei es, 60% Plätze anzubieten. Aber selbstverständlich gebe es weiter Bildungsungerechtigkeiten – Frau Leyendecker habe ja darauf hingewiesen, dass auch die Qualität der Betreuung eine Rolle spiele. Seine Thesen: Es müsse der U3-Ausbau weiter vorangetrieben und v.a. in herausgeforderten Stadteilen gezielt gefördert werden. Neben Kitas müssten auch Eltern mehr gestärkt werden, ein Beispiel seien die Elternbegleiter. Drittens müsse der Übergang von der Kita in die Grundschule besser gestaltet und die Hilfestellung älterer Kinder für jüngere auch in der Schule besser genutzt werden. Als Herausforderung betrachtet auch er, dass es zunehmend Kinder gebe, die vor der Schule nicht in den Kindergarten gehen – die Quote von 100% Kitabesuch sei hier leider nicht mehr erreicht.

Aus der AG Schulische Bildung wurde deutlich, dass die schulische Bildungsgerechtigkeit von einer Vielzahl der Faktoren abhängt. Neben der Ressourcenfrage standen Übergänge, Schulformen, Kommunikations- und Kooperationsstrukturen, Lehrkräfte und ihre Ausbildung im Mittelpunkt des Austausches. Der Fokus der Beiträge wurde auf die Lösungsansätze gelegt.

Es zeigte sich schnell, dass die Diskussion um geeignete Schulformen wichtig bleibt und zur Gerechtigkeitsdebatte erheblich beitragen kann. So wurde zum Beispiel mehrfach angeregt, sowohl über die Rolle der Förderschulen als auch der integrativen Schulen genauer zu reflektieren und ihre Leistungen für die Bildungslandschaft und für die Inklusion genauer zu überprüfen. Die Bedeutung der Ganztagsschulen wurde mehrmals hervorgehoben; sie wurden sogar als eine „Voraussetzung“ für die Bildungsgerechtigkeit genannt.

Die Situation bezüglich der Ressourcen wurde in Bochum als schwierig beschrieben. Die Klassen sind groß, es fehlen Lehrkräfte. Der Ressourcenmangel zeigt sich auch beim Thema Digitalisierung. Schon vorher war die Lage schwierig, die Pandemie offenbarte jedoch die Probleme und erhöhte die Dringlichkeit. Ein Wunsch war, dass es in der Bildungspolitik weniger um Leuchtturmprojekte und Schulpreise gehen sollte und mehr um Ansätze zur gerechten Verteilung der Ressourcen auf alle Schulen und Schulformen.  

Zwei bildungspolitische Instrumente wurden mehrfach erwähnt. Die Abschaffung der Schuleinzugsgebiete und das neue eingeführte Elternwahlrecht hätten negative Folgen auf die Bildungsgerechtigkeit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die regionale Konzentration der Bildungsgerechtigkeit sei ohnehin groß und würde dadurch weiter verstärkt, so einige Teilnehmende. Das bereits geplante, verbesserte Einsetzen des Sozialindexes mit Ausgleichmechanismen wiederum könnte in Zukunft positive Auswirkungen auf die Verteilung der Ressourcen zwischen Stadtteilen und Schulen haben, falls er mit einer effektiven Steuerung und insgesamt erhöhten Stellenausstattung einhergeht.

Den Lehrkräften wurde eine bedeutende Rolle bei der Erreichung der Bildungsgerechtigkeit beigemessen. Die Lehrkräfteausbildung soll auch dazu beitragen, ein Umdenken im Kopf zu ermöglichen. Neben Fachwissen müssen Lehrkräfte mehr Empathie lernen und Verständnis für andere Lebenssituationen entwickeln. Dafür sollten mehr Möglichkeiten bereits im Studium geschaffen werden. Es wurde mehrmals darauf hingewiesen, dass Partizipation und Anerkennung der Bemühungen der Schüler*innen für den Kontext der Bildungsgerechtigkeit enorm wichtig sind. Dieses sollte auch im Lehramt-Studium stärker reflektiert werden. 

Die Diskussion zeigte außerdem deutlich, dass Lösungen auf dem bildungspolitischen Feld nicht allein bei den schulischen Themen gesucht werden können. So wurde angeregt, über Alternativen zur gegenwärtigen Kindergeldpraxis im Sinne einer verbesserten gesellschaftlichen Teilhabe der Kinder und Jugendlichen nachzudenken. Auch wurde gefordert, die Bedeutung und Rolle der Familie mehr in den Blick zu nehmen – zwei Drittel der Faktoren des gelungenen oder misslungenen Schulerfolges sein familienbedingt, so ein Statement. Auch könnte das Kommunale Integrationszentrum stärker in die Bildung einbezogen werden, um Kinder mit Fluchtgeschichte noch besser bei schulischen Themen zu unterstützen. 

Generell herrschte Einigkeit darüber, dass wir in Bochum bereits gute Kooperationsstrukturen, Projekte und viele Akteure haben, die zu Lösungen beitragen wollen und können. Wir sollten diese Ressourcen jedoch noch stärker zusammenbringen und zusammendenken. Dafür könnten Round Tables und neue durchdachte Kommunikationsstrukturen zwischen verschiedenen Bochumer Akteur*innen hilfreich sein, so dass die vorhandenen Ressourcen noch optimaler eingesetzt werden und schon eingeführte Praktiken nachhaltiger wirken könnten.  

Die AG Berufliche Bildung machte deutlich, dass gerade die berufliche Bildung für sehr stabile Berufsbiografien sorge und die Basis dafür bilde, dass in Deutschland die Jugendarbeitslosigkeit im europäischen und weltweiten Vergleich ausgesprochen gering ist. Die Angebote zur beruflichen Bildung (Berufliche Vollzeitschulen und Duales System) ermöglichen den Zugang zum Arbeitsmarkt und zur gesellschaftlichen Teilhabe. Sie sind zudem anschlussfähig an weitere Bildungsphasen wie Außerschulische Bildung oder Akademische Bildung. Ein Drittel aller Schüler*innen sind derzeit im System der beruflichen Bildung zu finden. Die Duale Ausbildung in Deutschland sei einzigartig und ein weltweit gefragter Exportschlager. Dennoch wird die Berufliche Bildung in ihrer Bedeutung oftmals vernachlässigt und nur als zweitbeste Lösung gegenüber einem Hochschulstudium dargestellt oder gänzlich ausgeblendet. Dies wurde als Kritikpunkt an der Eingangsmoderation zum Pop-up CityLab und der Sichtweise der Initiator*innen deutlich hervorgehoben. Diese allgemein verzerrte Sichtweise trage mit zum Fachkräftemangel bei, der sich auch in sehr gut bezahlten Ausbildungsberufen zeige. Es wird auf die Bedeutung der Gymnasien verwiesen, insbesondere auch die Möglichkeiten der Beruflichen Ausbildung an die Schülerinnen und Schüler heranzutragen, denn das Interesse an einer Berufsausbildung ist seit Jahren rückläufig. 

Eine zentrale Frage besteht darin, wie sich die Attraktivität der Beruflichen Bildung wieder steigern lässt. Es wurde an mehreren Beispielen verdeutlich, dass gerade für zugewanderte Personen der Fokus auf dem Hochschulstudium lege. Ursächlich hierfür sei u.a. die fehlende Kenntnis des deutschen Bildungssystems, womit der Möglichkeitsraum der Dualen Ausbildung nicht gesehen und erschlossen würde. Im Workshop wurden erste Gedanken ausgetauscht, wie sich die Attraktivität der Beruflichen Bildung steigern ließe. Von mehr Verantwortungsübernahme durch die Unternehmen selbst, mehr berufsbildenden Kurse in der Sekundarstufe I, Aufklärung der Eltern, über Rollenvorbilder für die Schüler*innen bis hin zu Berufsfelderkundungen in der Lehrerausbildung wurden diverse Ansatzpunkte angesprochen. Darüber hinaus wurde aber auch darauf hingewiesen, dass es einer besseren Ausstattung der Schulen und Berufskollegs bedürfe, um ebensolche Angebote umzusetzen.

In der AG Akademische Bildung wurden zunächst die Erstakademiker*innen in den Blick genommen. So entscheiden sich Schüler*innen aus Nicht-Akademiker-Familien, die über eine Hochschulzugangsberechtigung verfügen, zu einem deutlich geringeren Teil für ein Studium als Schüler*innen, bei denen mindestens ein Elternteil einen Hochschulabschluss erworben hat. Evaluierungen an der RUB zeigen jedoch, dass es im späteren Studienverlauf zumindest für die RUB im Hinblick auf das Studieren innerhalb der Regelstudienzeit keinen Unterschied zwischen beiden Studierendengruppen gibt.

Der Anteil der Studierenden aus Nicht-Akademiker-Familien ist seit Jahren unverändert. Eine Möglichkeit zur Erhöhung des Anteils dieser Studierenden könnte die gezielte Ansprache schon vor dem Schulabschluss sein, da in dieser Gruppe u.a. die Frage überwiegt, wie das Studium finanziert werden kann. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Ansprache nicht nur an die möglichen Studierenden zu richten, sondern sich auch gezielt an deren Eltern zu wenden, um diese ebenfalls mit den notwendigen Informationen zu versorgen, damit sie ihren Kindern mögliche Ängste nehmen und sie bei der Entscheidung für oder gegen ein Studium besser unterstützen können.

Vom Grundgedanken an sich ist das deutsche Bildungssystem im Bereich der akademischen Bildung gerecht, da Studierende, die Leistung zeigen und die entsprechenden Noten erlangen, auch vorankommen. Dies ist jedoch nur vordergründig der Fall: Auch in diesem Bereich entscheidet die Herkunft zu großen Teilen darüber, ob entsprechende Leistungen gezeigt werden können. So entscheidet das Elternhaus mit darüber, ob neben dem Studium gearbeitet werden muss, oder auch, ob Studierende während des Studiums Unterstützung durch die Familie erhalten. Die soziale Herkunft kann zudem darüber entscheiden, wie gut Studierende an der Hochschule ankommen und wie die soziale Integration gelingt. Studierende mit Migrationshintergrund und/oder aus sozial schwächeren Familien fragen sich eher, ob sie dazugehören und wie sie Anschluss an Kommiliton*innen finden. Studien zeigen entsprechend, dass das Risiko, das Studium abzubrechen, bei Studierenden mit Migrationshintergrund, die aus sozial schwachen Familien kommen, im Durchschnitt 14% höher liegt als bei allen anderen Studierenden.

Der Studienerfolg ist jedoch nicht nur über den Background der Studierenden zu erklären. Eine Rolle spielt z.B. auch das Angebot der Hochschule in der Studieneingangsphase. Gibt es hier gezielte Angebote neben der Orientierungswoche? Sind diese auf die Probleme der verschiedenen Studierendentypen zugeschnitten? Gibt es Mentor*innen zur Unterstützung? Gibt es Angebote, wenn Studierende mit dem Gedanken spielen, das Studium abzubrechen, unabhängig ob dies auf Grund von schlechten Leistungen oder durch innere Hürden geschieht? Gibt es Unterstützung für Studierende mit Behinderung oder für Studierende mit Kindern? Und wie gelangen Studierende an die jeweils benötigten Informationen? Sind diese leicht zu finden, sind diese verständlich aufbereitet und sind diese ggf. mehrsprachig vorhanden?

Daneben wurde die Bedeutung der Lehrenden für Bildungs- und Chancengerechtigkeit im akademischen Bereich diskutiert. Lehrende bestimmen mit, welche akademische Kultur an der Hochschule gelebt wird. So werden z.T. Hilfskraftstellen nach bestimmten Stereotypen vergeben, was zu einer Benachteiligung bestimmter Studierendentypen führt. Durch die Arbeit am Lehrstuhl oder der Fakultät werden Studierende stärker an die Hochschule gebunden und finden dadurch leichteren Zugang zu einer möglichen Karriere in der Wissenschaft. Auch bestimmen Lehrende die Kommunikationskultur an der Hochschule. Durch eine vertrauensvoll gestaltete Kommunikation wird eine Bindung zwischen Studierenden und Hochschule/Lehrenden geschaffen, die Studierende beim Studienerfolg unterstützen und somit die Abbruchquote senken kann. Zudem wird, vor allem zu Beginn des Studiums, die Herstellung sozialer Kontakte erleichtert, wenn die soziale Integration und das Ankommen im Studium als Teil der Lehre in die Lehrveranstaltungen eingebunden werden.

Die Diskussion zeigte, dass es nicht den einen Grund für Bildungsungerechtigkeit im Bereich der akademischen Bildung gibt und alle Seiten dazu beitragen können, diesen Bildungsbereich noch gerechter zu gestalten.

Bei der AG Außerschulische Bildung / Lebenslanges Lernen war Frau Prof. Aßmann, RUB – Institut für Erziehungswissenschaft, kurzfristig verhindert. Ira Lewe sprang kurzentschlossen ein. Damit konnte der Bereich „Außerschulische Bildung“ nicht im gleichen Umfang behandelt werden wie der Bereich „Lebenslanges Lernen“.

Frau Timmermann startete ihren Impulsvortrag mit der These, dass die VHS „gar nicht so bildungsgerecht“ sei, wie sie vor der Vorbereitung ihres Vortrags selbst gedacht habe. „Offen für alle reicht nicht, kommen zählt“, so ihre Erkenntnis. Konkret: Mit etwa fünf Prozent Teilnehmenden würden anteilig deutlich zu wenige Menschen, die Ermäßigungen in Anspruch nehmen, die Kurse der VHS besuchen. Außerdem seien Menschen mit Zuwanderungsgeschichte deutlich unterrepräsentiert (abgesehen von „Deutsch als Fremdsprache“). Selbstkritisch fügt Frau Timmermann hinzu, dass Bildungsgerechtigkeit nicht Teil der Zielvereinbarungen der Programmbereiche der VHS sei. Gleichwohl sei klar, dass das Ziel der Bildungsgerechtigkeit die VHS mit vielen Akteur*innen der Bildungslandschaft in Bochum und darüber hinaus verbinde und es bei der Arbeit immer mitschwinge. Je stärker das Ziel bei allen Beteiligten im Bewusstsein sei, desto besser würde es umgesetzt.

In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass die VHS bereits in einzelnen Bochumer Quartieren (Wattenscheid, Hamm) präsent ist. Stadtteilorientierte Bildungsarbeit soll diesen Trend zukünftig weiter verstärken. Mit neuen, aufsuchenden Formaten sollen die Zugänge für die o. g. Zielgruppen erleichtert werden. Offensichtlich dabei ist, dass diese medial anders angesprochen werden müssen. Beispielsweise darf das Material nicht zu textlastig sein, wie auch die Kurse selbst Teilnehmenden-zentriert auszugestalten sind. Frau Timmermann bestätigt in diesem Zusammenhang, dass die VHS mit ihrem großen Pool an Lehrenden hier gut aufgestellt ist. Am Ende gehe es immer darum, Anschlussfähigkeit herzustellen.

Ira Lewe berichtete anschließend von einem RUB-Projekt („Lage – Lebenswelten aktiv gestalten“), das die Schnittstelle von außerschulischer Bildung und schulischer Bildung an 19 weiterführenden Schulen im Ruhrgebiet betrachtet. Ein Zwischenergebnis: Soziale Projekte (z. B. Tanz) an dieser Schnittstelle sind vor allem für Kinder aus bildungsfernen Schichten wichtig. Die Schulen seien hochinteressiert, der Bedarf sei immens. Die Schüler*innen benötigten Identifikationspersonen außerhalb der Schule. Lebensweltorientierung und Anschlussfähigkeit sind hier die Stichpunkte.

Im abschließenden Teil des Workshops wurde das Haus des Wissens – HdW (Arbeitstitel) thematisiert. Dabei hob Frau Timmermann auf „Barrierefreiheit als der rote Faden des Hauses“ ab. Entsprechend inklusive Angebote seien zu gestalten und dafür werde aktuell eine neue Stelle eingerichtet. Ein „Open Space“ sei das Kernelement, welches für neue Zugänge und neue Organisationsformen den sprichwörtlichen Raum biete. Insgesamt gelte: „kein Mainstream, verschiedene Atmosphären, nicht zu `clean´, auch `Coolness´“. Die weitere, konkrete inhaltlich-konzeptionelle Ausgestaltung sei „Sache des Prozesses“.
Weiterhin gibt es eine Kooperation mit der Technischen Hochschule Georg Agricola, mit der neue Zielgruppen im Bereich „Lebenslanges Lernen“ erreicht werden sollen und mit der Bildungsgerechtigkeit erhöht werden soll.

Mit dem Pop-up CityLab haben die Initiator*innen von der Ruhr-Universität Bochum und der Stadt Bochum einen (digitalen) Diskussionsraum geschaffen. Das Format wird fortgesetzt. Die Ergebnisse dieses Pop-up CityLabs sollen in einem Hackathon aufgegriffen und durch studentische Teams, gerne auch Interessierte anderer Einrichtungen, weiterbearbeitet werden.